Hab den Mut, Profi zu sein!

Bedingt durch meinen Werdegang kenne ich Schulen aus vielerlei Sichtweisen: von innen als Schüler und Referendar, von außen als Vater und täglich berufsbedingt. Klarerweise sind auch viele meiner Freunde Lehrer, so dass ich dem Thema Schule im allgemeinen und Lehrer im besonderen nicht entfliehen kann. Und, am Rande bemerkt, ja auch gar nicht will.

In all den Jahren ist mir ein Punkt besonders aufgefallen, den ich bei anderen Berufsgruppen in dieser Ausprägung nicht beobachten kann. Es ist die Scheu, professionell zu sein. Professionell in folgendem Sinne: es würde doch kaum jemanden einfallen, einem Handwerker in seine Arbeit reinzureden, oder einem Ingenieur oder Polizisten oder sonst wem. Diesen Berufsgruppen wird ihre Professionalität einfach unterstellt, und sollte doch jemand einmal Zweifel hegen, wird ihm das Gegenteil klar auseinandergesetzt.

Bei Lehrern scheint dies aber etwas anderes zu sein. Denn schliesslich war ja jeder mal in der Schule und kennt sich daher bestens aus. Und kann daher auch wunderbar mitreden, was die Schule, ergo Lehrer, neben der Stoffvermittlung nicht noch alles leisten sollen, was nicht alles falsch läuft und was zu tun wäre. Zum Wohle der Kinder, der Gesellschaft und der Menschheit überhaupt. In drastischeren Worten: Laien erdreisten sich, viele Dinge besser zu wissen, als diejenigen, die diesen Beruf in vielen Jahren Ausbildung gelernt haben und sich täglich in ihrem Geschäft bewähren.

Und was machen Lehrer typischerweise? – Sie lassen es sich gefallen.  Sie sind es gewohnt, dass alle Welt an ihnen zerrt. Durch ihre tägliche Arbeit geprägt, hören sie ihrem Gegenüber geduldig zu, bemühen sich allzeit um Verständnis und strengen sich redlich an, dem anderen auf dem Wege der Entfaltung seiner Persönlichkeit hilfreich zur Seite zu stehen. Damit lassen sie es sehenden Auges zu, dass ihnen andere frech und ungerührt die Butter vom Brot nehmen und bezahlen ihren Dauerfrust mit Burnout und vorzeitiger Pensionierung.

Meine Empfehlung ist es, sich dies nicht länger gefallen zu lassen, sondern sich endlich wie ein Profi zu benehmen. Dazu gehören für mich viele, insbesondere die folgenden Aspekte:

  • sich aus eigenem Antrieb weiterbilden, um auf der Höhe der Zeit zu bleiben – fachlich, psychologisch und pädagogisch
  • neuen Lehr- und Lernmethoden offen gegenüberstehen und täglich an einem kleinen Stück Verbesserung arbeiten
  • sich stärker in Fachverbänden zu organisieren und engagieren, und weniger in Standesvertretungen
  • Einwürfen von außen fundiert in angemessener Fachsprache entgegentreten

Ich kenne viele Lehrer, die diese Punkte nicht nur umsetzen, sondern deutlich übertreffen. Doch leider habe ich den Eindruck, dass es noch weit mehr gibt, die die Kraft es anzupacken nicht oder nicht mehr aufbringen. Gründe hierfür lassen viele aufzählen und auch was dem alles entgegensteht. Dies weiss ich alles und dazu wurde an anderer Stelle bereits viel gesagt und geschrieben. Bleibt der Fakt, dass es schlicht zu wenig geschieht.

Viele müssen ihren Teil zum Gelingen beitragen, doch der Impuls und Wunsch nach Änderung muß von innen, muß von den Lehrern kommen. Und daher richte ich meinen Appell an jeden einzelnen: Hab den Mut, Profi zu sein.

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2 Kommentare zu „Hab den Mut, Profi zu sein!“

  1. Diesem Beitrag kann ich nur zustimmen. Auch ich habe mehrere Perspektiven auf das System Schule und glaube, dass dem (Image-)Problem auf individueller, schulischer und bildungspolitischer Ebene begegnet werden muss – und zwar auch mit aktiver Kommunikationsarbeit. Der Lehrer sollte selbstbewusst die Stimme erheben und die Qualität der Arbeit verdeutlichen, die Schule (allen voran Schulleitung) sollte als “Unternehmen” Kommunikation systematischer betreiben und die Bildungspolitik ihre Schulen dafür stärken – auch finanziell. Der alte PR-Grundsatz “Tue Gutes und rede darüber” ist in Bildungszusammenhängen noch ziemlich unverbraucht und könnte bei aller berechtigten Globalkritik am Schulsystem für den einen oder anderen lokalen Lichtblick sorgen.

  2. Pingback: Ist Idealismus in der Schule überhaupt noch sinnvoll? « Stephan Griebel

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