In meinen Blogs Hab Mut, Profi zu sein (17.09.09) und Warum sich Lehrer zuvorderst selbst aus den Sumpf ziehen sollten (03.10.09) habe ich beschrieben, dass sich Lehrer professionalisieren müssen, um ernst genommen zu werden, und dass der Anstoß dazu in erster Linie von ihnen selbst kommen muss. Mit Kollegen aus Großbritannien und Schweden habe ich vor einigen Tagen genau zu dieser Frage gesprochen. Als gemeinsamen Nenner haben beide erklärt, dass die zunehmende Professionalisierung in ihren Ländern hauptsächlich von den jung einsteigenden Lehrern getrieben wird. Für diese stellt sich die Frage nach der Berufswahl anders, als sie sich für die, sagen wir mal im letzten Dienstdrittel stehenden Lehrer seinerzeit gestellt hat. Es geht weniger um die Berufung zum Lehramt, es geht um eine nüchterne Aufwand-Nutzen-Risiko-Rechnung.
Die heute Junglehrergeneration ist von ganz anderen Erfahrungen geprägt als es die Generationen vor ihnen waren. Prägend hinsichtlich der Arbeitswelt scheint unter anderem zu sein, dass Unternehmen heute weniger loyal zu ihren Mitarbeitern stehen, in Guten wie in schlechten Zeiten, so wie sie es in früheren Zeiten anscheinend getan haben. Mit anderen Worten: egal wie persönlich engagiert ich mich einbringe, ob ich je krank war oder nicht, das alles zählt wenig, wenn die Entlassungswelle durch’s Unternehmen läuft. Warum sollte ich also mehr Idealismus zeigen als nötig? Wenn der Shareholder seinen regelmäßigen Profit einfordert, dann bekommt er ihn, aber auch nicht einen Deut mehr. In einer simplen Aufwand-Nutzen-Risiko-Analyse kommt der Lehrerberuf nicht schlecht weg. Nach gängiger Meinung hat man als Lehrer nach einer gewissen Einarbeitungszeit im Großen und Ganzen einen erträglichen Job auch dank ausreichend viel Ferien und akzeptabler Bezahlung. Warum also nicht Lehrer werden?
Oder gehört zum Lehrerberuf doch ein gehöriges Maß an Idealismus? So sehr ich mich über jeden Lehrer und jede Lehrerin freue, die ihre Aufgabe als Berufung begreifen und nicht lediglich als Job, so wenig halte ich diesen Idealismus für zwingend erforderlich. Für mich ist es in erster Linie wichtig, dass unsere Lehrkräfte Freude an ihrer Arbeit haben, gleich aus welchen Motiven heraus. Nur wenn sie selbst Freude empfinden, kann guter Unterricht gelingen. Guter Unterricht in diesem Sinne ist einer, den unsere Kinder gerne besuchen und von dem sie etwas mitnehmen, fachlich und menschlich.
Im System Schule wird Idealismus zukünftig übrigens zunehmend weniger honoriert. Die bundesweite Einführung von Vergleichsarbeiten und Zentralabitur hat zur Folge, dass es in wachsendem Maße darauf ankommt, was hinten herauskommt; sprich: wie die anvertrauten Schüler, man selbst, seine Schule, sein Bundesland gegen einen von außen gesetzten Vergleichsmaßstab abschneiden. Der Output gewinnt also gegenüber dem Input an Bedeutung. Vorausgesetzt man findet Konsens hinsichtlich des gewünschten Outputs, muss ein solcher Ansatz gar nicht falsch sein. Stellt nicht genau dieser Output die Grundlage für das gesamte weitere Leben des jungen Menschen dar und wer will schon für eine mangelhafte Grudnlage eintreten?
In einem solchen Output-orientierten System wird Erfolg als Grad der Zielerfüllung verstanden und gemessen. Vermutlich liegt man richtig mit der Annahme, dass in einem solchen System der professionelle gegenüber dem berufenen Lehrer größere Erfolgsaussichten hat, da er seine Energie nicht auf das Hinterfragen der Motive hinter den Zielvorgaben aufwendet, sondern einfach liefert, was von ihm verlangt wird. Mit dem Wegfall der Mitsprache entfällt jedoch ein Korrektiv auf die weitere Entwicklung von Bildung. Entscheidungen über Bildung werden zunehmend von außerhalb der Schulen getroffen und von den Schulen lediglich exekutiert. Die Schule wir also verstärkt fremdbestimmt, was so nicht gewollt sein kann.
Fazit: Ein motivierter, professionell abgeklärter Lehrer ist für Schule ebenso wertvoll wie ein motivierter, idealistischer Lehrer. Beide haben ihre Bedeutung und ihren Stellenwert in dem und für das im System Schule. Eine einseitige Ausrichtung auf einen Typus und Bevorzugung desselben hätte fatale Folgen und muss daher vermieden werden. Ziel muss sein, ein Gleichgewicht zwischen den beiden genannten Lehrertypen herzustellen.
Ich stimme Dir zu. Beim idealistischen Lehrer sehe ich sogar noch das Problem, dass man keine persönliche Grenze zwischen Arbeit und Privatleben mehr zieht und sich dann so lange extrem “reinhängt”, bis man überhaupt nicht mehr kann (burn-out). Insofern wäre abgeklärter Idealismus anzustreben 🙂
Ich ziehe mal den Vergleich zu Ärzten. Auch diese müssen eine gewisse professionelle Distanz zu dem wahren, was sie den ganzen Tag erleben. Wer sich jedes Problem zu eigen macht, der wird daran zugrunde gehen. Andererseits werden sie Tag auf’s Neue nur dann ihr bestes geben, wenn sie daran glauben, den Menschen damit zu helfen und die Welt damit ein klein wenig besser oder zumindest erträglicher zu machen.
Es klingt fast so, als wenn Schule vor allem von diesen beiden Lehrertypen besucht werden. Ich glaube aber, dass da auch noch eine ganz große Menge arbeitet, die weder abgeklärt noch idealistisch sind, sondern einfach ihren Job machen (und das meine ich nicht grundsätzlich negativ).
Der abgeklärte Lehrer ohne Ideale wird – so hoffe ich – selber dafür sorgen, dass er obsolet wird. Denn wenn ich nur Informationsvermittler bin zwischen Bezirksregierung und Schüler bin, dann kann diesen Job auch eine Maschine übernehmen – natürlich eine mit großem Filter.
Man könnte auch noch weiter gehen und die abgeklärten Lehrer der Fahrlässigkeit anschuldigen…
Einfach nur seinen Job machen, ist in keinster Weise negativ. Das ist aber auch genau das, was ich mit “professionell” versucht habe zu umschreiben. Von einer guten Schule erwarte ich mir auch ein reiches und menschlich warmes Schulleben. Das reiche Schulleben kann ich mir auch bei den professionellen vorstellen, wenn es so in ihrer Stellenbeschreibung steht und sie entsprechend entlohnt werden. Nur fällt es mir schwer anzunehmen, dass man auch die Warmherzigkeit entsprechend einfordern kann. Es dies die Mensch-Maschine-Trennlinie?
Natürlich ist diese Polarisierung künstlich und verschweigt, dass es alle Grauschattierungen dazwischen gibt.
Abgeklärt verstehe ich aber nicht negativ im Sinne von “ohne Ideale” sondern eher als realistisch und mit klarem Blick für die Einschränkungen, die dem System immanent sind (z.B. Klassengrößen, Unterrichtsverpflichtung, Verwaltungsaufgaben etc.)
Wenn ich diese Einschränkungen bewusst wahrnehme und meine eigentliche Aufgabe des Unterrichts und der pädagogischen Förderung von Schülern vor diesem Hintergrund sehe, kann ich zu erfüllbaren Erwartungen an meine pädagogischen Aufgaben kommen.
Wenn ich „überidealistisch“ arbeite und die genannten Einschränkungen nicht im Blick habe, werde ich viel Frust erfahren und meines Erachtens nicht nachhaltig arbeiten können.